Warum deutsche Autobauer kaum Elektroautos liefern
In Deutschland ist es selbstverständlich, dass Müll getrennt und recycelt wird, Solarstromanlagen auf den Dächern thronen und Windräder die Landschaft säumen. Beim Thema Umweltschutz hatte Deutschland in der Vergangenheit mit ambitionierten Projekten wie der Energiewende und dem damit verbundenen Ende von Braunkohle- und Nuklearstrom nicht selten eine internationale Vorreiterrolle inne. Was allerdings die Mobilität anbelangt, so scheinen Verbraucher und Hersteller sich nicht so recht vom Verbrennungsmotor verabschieden zu wollen. Mit dem Abgasskandal um manipulierte Emissionswerte bei Dieselfahrzeugen der deutschen Autobauer VW, Mercedes, Porsche und Audi wird allerdings der Druck auf diese, massentaugliche Fahrzeuge mit Elektroantrieb zu entwickeln, weiter ansteigen.
Elektroauto beim Aufladen
Keine Vorreiterrolle im Bereich Elektroantrieb
Das deutsche Umweltministerium gab im März bekannt, dass im vergangenen Jahr in Deutschland 906 Millionen Tonnen CO2 durch Abgase freigesetzt wurde und machten die wachsende Anzahl an Fahrzeugen in Deutschland für den Anstieg im Vergleich zum Vorjahr verantwortlich.
Lkws, welche die Produkte des Exportweltmeisters Deutschland quer durch Europa transportieren, sind zu einem großen Teil für die Emissionen verantwortlich. Private Pkws treiben die Werte an Treibhausemissionen aber ebenfalls nach oben. Von 3,4 Millionen neu zugelassenen Autos in 2016 waren nur 11,000 voll elektrisch und 48,000 waren sogenannte Hybridautos. Die Zulassungen von Geländelimousinen und Geländewagen verzeichneten derweil einen Anstieg von 19% im Vergleich zum Vorjahr auf 715,000 Neuwagen.
Die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland und der Anbieter von erneuerbarem Strom LichtBlick geben dazu an, dass Deutschland im Hinblick auf Elektrofahrzeuge weit hinter den USA und China zurückliegt.
Laut dem Geschäftsführer von LichtBlick verpasst Deutschland in diesem Bereich eine wichtige Entwicklung.
In China wurden vergangenes Jahr über 350,000 Elektroautos verkauft und die chinesische Regierung fördert mit Hinblick auf die elende Luftqualität in Chinas Metropolen und den steten Zuwachs an Fahrzeugen wie kein anderes Land die Elektromobilität.
Auch Frankreich will ab dem Jahr 2040 nur noch Elektroautos zulassen und lockt mit einer Prämie von 6300 Euro beim Kauf eines Elektroautos, zusätzlich zu einer möglichen Abwrackprämie von 3700 Euro für Dieselautos.
Elektroauto von Porsche
Zu teuer, zu komplizert
Warum also zögern die Deutschen Verbraucher damit, auf Elektroautos umzusteigen? Reichweite der Fahrzeuge, notwendige Infrastruktur und Preis scheinen die größten Hindernisse zu sein. Auch im Vergleich zu anderen EU-Ländern wie Norwegen und den Niederlanden kaufen die Deutschen extrem wenig Elektroautos. Während diese mit der kürzeren Reichweite für den Stadtverkehr durchaus ausreichen, eignen sie sich weniger für lange Ausflüge oder Ferienreisen, was die Kaufentscheidung der Verbraucher stark zu beeinflussen scheint. Man ist es gewohnt, mit einer Tankfüllung viele hundert Kilometer zu fahren und falls nötig gibt es immer Tankstellen zum Auftanken. Mit einer maximalen Reichweite von 200 Kilometern bei Elektroautos besteht dagegen die Gefahr, dass man wegen fehlender Ladestationen einfach liegen bleibt. Hinzu kommt, dass das Aufladen einige Stunden dauert. Ein Problem, das voraussichtlich erst in den nächsten Jahren mit neuartigen, schnell ladenden Batterien behoben sein wird.
Die Deutsche Bundesregierung hat zum Ausbau der Ladestationen zwar eine Investition von 300 Millionen Euro versprochen, außerhalb der Großstädte ist das Netzwerk an Ladestationen aber nach wie vor schlecht ausgebaut. So gibt es in Deutschland nur etwa 3200 öffentliche Ladestationen. Verbraucher, die heute ein Elektroauto erwerben, haben meistens auch ihre eigene Ladestation zu Hause oder laden den Wagen beim Arbeitgeber auf und sind von den öffentlichen Ladestationen nicht übermäßig abhängig. Dazu kommt, dass bei den öffentlichen Ladestationen oft Chaos bezüglich verschiedener Zahlungsmethoden herrscht und die Sorge der Elektroautobesitzer, auf halber Strecke zu stranden, damit unnötigerweise noch vergrößert wird.
Der Preis der Autos schreckt ebenfalls ab. Strom ist zwar nicht sehr teuer, aber die Elektroautos sind sehr viel teurer als Diesel- oder Benzinfahrzeuge. Sogar die Kaufprämie für Elektroautos der Bundesregierung, immerhin 4000 Euro, wurde zum Flop. Dabei übernimmt der Staat die Hälfte, während die Autohersteller die andere Hälfte in der Form eines Preisnachlasses gewähren. Trotz Prämie, Elektroautos bleiben einfach zu teuer. Ein VW Golf mit Elektroantrieb z.B. kostet ab 35,000 Euro, ein Golf mit Standardantrieb zwischen 17,000 Euro und 27,000 Euro.
Die zehnjährige Befreiung von der Kfz-Steuer ist ebenfalls nur ein dürftiger Anreiz zum Kauf eines Elektroautos, denn die damit erzielte Ersparnis beläuft sich auf etwa 50 Euro pro Jahr.
Aufgrund der skeptischen Verbraucher, weiten Fahrtstrecken und hohen Verkaufspreise hat sich die deutsche Autoindustrie auch nur zögerlich auf die Elektromobilität eingelassen. Zudem ist die deutsche Autoindustrie international extrem erfolgreich und der Druck zu Innovationen war hierzulande längst nicht so groß wie in anderen Ländern wie Frankreich zum Beispiel. Daher führen neue, junge Unternehmen wie Tesla aus den USA oder Exoten in der Autoherstellung wie die Deutsche Post, die für ihren sehr erfolgreichen Street Scooter jetzt ein zweites Werk baut, die innovative Entwicklung in der Elektromobilbranche an.
Der Abgasskandal um den Autohersteller Volkswagen hat die Autoindustrie zwar aufgerüttelt und ihr internationales Ansehen angeschlagen, aber die Emissionen sind dadurch nicht gesunken. Zum ersten Mal seit 2007 konnte Daimler die durchschnittlichen Emissionen seiner Flotte wegen der hohen Nachfrage nach Geländelimousinen im Jahr 2016 nicht verringern. Der Entwicklungschef von Daimler, Olaf Källenius, bestätigt, dass die von der EU vorgeschriebene Verringerung der CO2-Emissionen auf 100 Gramm pro gefahrener Kilometer bis 2020 eine große Herausforderung für den Hersteller sein wird.
Die erfolgsverwöhnte deutsche Autoindustrie steht also vor einem entscheidenden Entwicklungssprung seit der Erfindung des Autos und ist sicherlich um die Zukunft ihres traditionellen Geschäftsmodells besorgt. Auf Emissionslose Autos umzusteigen ist ohne Zweifel für alle Beteiligten eine große Herausforderung.
Streetscooter der Post
Wenig Druck von der Politik
Die Lobby der Autobauer ist in Deutschland sehr einflussreich, beschäftigt der Sektor doch über 800,000 Menschen und wird damit auch in Berlin ein Wörtchen mitzureden haben. So hat sich “Klimakanzlerin” Angela Merkel den früheren Opel-Lobbyisten Joachim Koschnicke als Wahlkampfmanager für die bevorstehende Bundestagswahl mit ins Team geholt. Dieser hatte zuvor für Opel die Zulassung eines mit einer Abschalteinrichtung versehenen Modells beim Bundesverkehrsministerium durchgesetzt und Software-Unregelmäßigkeiten bei Opel schöngeredet. Es ist außerdem anzunehmen, dass die Bundesregierung und die EU-Behörden schon mehrere Jahre vor dem Abgasskandal um die betrügerischen Techniken der Autobauer wussten und diese aus wirtschaftlichen Gründen und wegen als zu streng angesehen Vorgaben für Dieselabgase in den USA gewähren ließen.
ARTEfuturemag
Natürlich würde auch eine einfache Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen einige Tonnen an CO2-Emissionen einsparen – unter den Erfindern von einigen der leistungsstärksten Motoren und Autoliebhabern ist das aber nur schwer umsetzbar. Immerhin hat Bremen als erstes Bundesland den Schritt gewagt und ein allgemeines Tempolimit von 120 km/h eingeführt.